Montag, 26. Januar 2009

Anmerkung zu "wovor knien wir?"

Da es ob dieses Artikels vor einigen Monaten etwas böses Blut gab, wurde mir geraten, mich hier nochmal dazu zu äußern.

Die Meisnerkritik als Kritik an seiner Person zu verstehen ist falsch. Genau so falsch ist es, das als reine Kritik am Atlen Ritus hinzunehmen. Vor seiner Person auf der einen und der außerordentlichen Form des römischen Ritus auf der anderen Seite habe ich großen Respekt. Falls es als Beleidigung herüberkam, tut es mir leid. Noch mehr leid tut mir der Irrtum, Meisner mit Liebhabern des Alten Ritus in einen Topf geworfen zu haben. Die Kritik am Gesagten - oder eher die daran aufgehangene Kritik - betrifft nicht unbedingt Anhänger des Alten Ritus, sondern vielmehr eine Haltung, die den Ritus auf äußere Zeichen - so schön, alt und ehrwürdig sie auch sein mögen! - zu reduzieren.
Kardinal Meißner hat, vielleicht ohne es zu wollen, auf eine Krise in der Liturgie hingewiesen, die meines Erachtens deutlich schlimmer, weil heimtückischer als der ganze Raubbau an der Liturgie ist: Viele jener Katholiken, denen das Herz bei lateinischen Chorälen aufgeht, die erst wirklich in spirituelle Stimmung kommen, wenn es ein kanonisches Schweigen gibt, übersehen bei ihrer Liturgieliebe (die ich verstehe und bis zu einem gewissen Grad auch teile) zutiefst, was überhaupt Sinn dieser ganzen Liturgie ist: Christus. Christus, der derselbe und der ganze ist und bleibt, egal, ob man ihn beim Pontifikalamt in der außerordentlichen Form oder in der Heimatpfarre bei der Kindermesse empfängt. Und dieser Christus wird auch weniger durch den schiefen Kinderchor, der gerade "wo Menschen sich vergessen" beleidigt als durch den "Frommen" der sich über den Chor aufregt und behauptet, hier wäre Gott nicht oder weniger als bei anderen Messen.
Die Messe wird durch eine Akzeptanz - oder sagen wir mal lieber durch ein Ignorieren oder ein Beschwichtigen - dieser Haltung in einer sublimeren Form verwässert, als es eine Jugendmesse jemals kann: Der Fokus wird von Christus auf das äußere gelenkt und mit Sprüchen wie Lex Orandi=Lex credendi kaschiert.
Kardinal Meisner hat da was wichtiges angesprochen: Die Leute knien vor dem Kelch, nicht vor Christus. Irgendwie klingt es doch seltsam, wenn manchmal Berichte der letzten Papstmessen Reports von Modeshows ähneln... "Und der Papst hat das Pallium von Papst sowieso getragen, *hach*".
Summa summarum: Ich fürchte eine Kirche, in der man vor Kelchen kniet, genauso stark wie eine ohne Kelche.

Montag, 12. Januar 2009

Was bewirkt das Motu Proprio des Papstes? III. Quantitäten und Qualitäten

Sodele, man höre, lese und staune: mal wieder ein Beitrag! Sorry, ich hab im Augenblick bei meiner Arbeit echt Blut geleckt, vllt erzähle ich auf meinem Schwesterblog davon.

Auch eine fleißige und kompetente Journalistin wie Regina Einig (DT 27.09.2008) darf sich nicht in den Streit um immer noch winzige Quantitäten verstricken lassen. Es spielt für den Zweck von „Summorum pontificum“ keine Rolle, ob es 40, 80, 400 oder 800 „Messorte“ (Wetterhäuschen?) des usus antiquior auf deutschem Boden gibt. Selbst wenn es weltweit nur an drei Orten eine relevante Nachfrage nach dem Missale Johannes XXIII. gäbe, wäre damit der Gleichheit im Werturteil der Kirche (über „alt“ oder „neu“), die das Motu proprio festzurrt, bereits entsprochen. Der päpstliche Akt von 2007 ist also viel mehr ein Angriff auf Hegel, also das idealistisch-evolutive Bild der Weltgeschichte, als ein Angriff auf Benno Gut, Bugnini et al. Die instaurierte Liturgie ist, empirisch erwiesen, für heutige pastorale Zwecke besser geeignet, aber sie ist nicht „politisch“ oder „moralisch“ besser als das MR 62, weil „neu“. Die Korrektur per m.p. trifft (und kuriert) Eiferer der Reform nur, soweit sie sich an Hegel verschluckt hatten. Dieser Absinth rumort noch in den Eingeweiden. Aber das „neue Kirchenbild“, als seitens der „alten Liturgie“ bedroht, beweinen doch nur die Protagonisten, die selber nie und nirgends zeigen konnten, dass ihr egomanisches „neues Bild“ jemals der unübertrefflichen Neuheit Christi entsprochen hat (vgl. Botschaft des Konzils an die Jugend, 8. Dez. 1965).


Nicht einmal der Chefmodernist Alfred Loisy (gest. 1940), der „die Messe“ noch heftig vermisste, als er längst kein Christ mehr war, hätte je eine Antithetik zwischen zweierlei Messbüchern proklamiert. Die „neue“ Messe ist keine Ausgeburt des Modernismus, sondern adäquate Gestalt der lex credendi aller Zeiten, die aber niemals in Messformeln allein einzwängbar ist. Immer gab es liturgische Vielfalt in Ost und West, reiche Traditionen, keine eng zugespitzten Zaubersprüche. Denn das Mysterium fidei lebt unter uns. Die allermeisten Texte auch der Orationen in der „neuen Messe“ sind uralt, urälter, am urältesten, nur wenige völlig neu. Zum Sturm auf den „novus ordo“ hat einzig Marcel Lefebvre geblasen, mit seinem Aufruf vom 21. November 1974. Wer jemals „NOM“ mitfeiert, der gefährde sein Seelenheil. So der Bannfluch aus Ecône, dessen Wirkung jedoch, im Weltmaßstab, in etwa dem eines Knallfroschs gleichkommt. Glaubte etwa Lefebvre wirklich, die Anhänglichkeit der „Gallikaner“ an die Latinität würde ihm eine „Atombombe“ gegen das Konzil in die Hände spielen? Vielleicht. Dann war seine Bewegung ein Fehlschlag von Anfang an. Nur seine Epigonen jubeln das Projekt immer noch zum „Kreuzzug“ hoch; er wird sich verirren, wie der beschämende Kinderkreuzzug des Mittelalters.


In diesen kuriosen Kreisen wird man, ohne jeden Kompromiss, das Missale Paul VI. weiterhin als liberal verseucht beschimpfen, als schlecht geratene Kopie der Deklaration der Menschenrechte von 1789. Wie tief muss man eigentlich in den Sumpf politisch-ideologischer Wirrsal versunken sein, um in den Predigten eine gerade Linie vom Messbuch AD 1970 zur Guillotine zu ziehen, auf der die unglückselige Königin Marie Antoinette 1793 ihr süßes Kuchenleben ließ? Die SSPX, deutschnationaler Zweig, verbreitet noch im Oktober 2008 ein „Poster“, das unser Konzil anhand von Egalité-Liberté-Fraternité (in falscher Reihenfolge) aufschlüsselt. Absurd. Man meint doch, diese ganz und gar nicht fromme Denkungsart sei nur Anti-Aufklärern wie Dan Brown oder Alfred Rosenberg zu eigen.


Der Reformpapst selbst wollte die erneuerte Messe stets als die des Konzil verstanden wissen, nicht als seine Hausmarke. „Paulinisch“ ist sie nicht, weil sie von Papst Paul herstammt, sondern weil das Konzil einem Missionsbefehl folgt, wie der Völkerapostel es tat. Der Papst also nannte sich Paul, weil er das ferne Ziel des Konzils „kapiert“ hatte, das Papst Johannes ihm als offene Baustelle hinterließ, vielleicht sogar besser als der Selige selber. Auch das Motu proprio kann zu einem Glücksfall für die nächste Stufe liturgischer Erneuerung nur werden, wenn nicht der leiseste Zweifel an der Echtheit des konziliaren Grundentscheids aufkommt: Gehet, ihr seid gesandt! Wir sind, Priester, Ordensleute und Laien, dazu verpflichtet, die Tradition im Licht des Konzils zu lesen. Es genügt nicht, die Leitmotive der Kirchenversammlung auszublenden, um dann jeden einzelnen Satz der Dokumente irgendwie zwischen die Zeilen von „Trient“ zu klemmen. Wer das versuchen wollte, wäre mit einer namhaften Buchreligion reinsten Wassers (besser: reinster Druckerschwärze) besser bedient als mit dem lebendigen Wort Gottes in Kirche und Sakrament. Der echte Geist des Konzils, der Geist einer missionarischen, wahrhaft paulinischen Sendung, verlangt die weitherzige, nicht die skrupulös-kleinkarierte Interpretation der sonst, also separat unvollständigen Einzeltexte. Die Texte zu Medien oder Erziehung hätten kaum noch Wert, da sie schon im Entstehungsprozess „überfahren“ waren, durch den Fortgang der Ereignisse. Insofern will das Konzil selbst, dass auch die Liturgiereform über das Dokument zur Liturgiereform hinausgelangt, aber eben nicht nach Maßgabe bestimmter Liturgiker (welcher „Partei“ auch immer) und ihrer gescheiten Ideen, sondern amtlich angeleitet.


Der Text der Konstitution selbst jedoch enthält bereits Fenster für Ausblicke ins Weite, nicht nur in der Sprachenfrage. Beispielsweise ermöglicht Art. 40 SC es, zugunsten einer neuen Inkulturation des Evangeliums, auch in den Stammesgebieten römischer Liturgie, die Überschreitung des römischen Typs fallweise zu gestatten. Das ist exemplarisch mit den Hochgebeten „Versöhnung“ von 1975 geschehen. Mit den „Schweizerischen“ Hochgebeten erreichen wir aber vermintes Gelände. Das zeitweilige Bündnis zwischen Paul VI. und seinem Manager Bugnini zerbrach mutmaßlich an diesem schwierigen Punkt. Vielleicht überzog der spätere Nuntius von Teheran genau hier seinen Auftrag auf kaum mehr verzeihliche Art. Denn einem nunmehr für „permanent“ deklarierten „Paradigmenwechsel“ konnte der Papst nicht mehr folgen. Er wollte die Liturgiereform des Konzils, nicht die Ersetzung des Gotteslobs durch eine Liturgiefabrik des Eigenlobs. Hier verläuft die Demarkationslinie zwischen Reformidee und Bruchhermeneutik. Zweitere ist Hegelei à la Küng (Tübingen) und wurde schon präsumptiv von Gregor XVI. 1832 verurteilt, nicht erst von Benedikt XV. 1914, als dieser schon die allererste Keimzelle eines katholischen „Leninismus“ aushob, die „Sapinière“ (das Netz namens „Tannenwald“ von Msgr. Begnini).


Fazit: Nicht zuerst die von rechts und links verfluchten, fast schon verfolgten Bischöfe müssen sich für die „alte Messe“ entflammen, sondern deren Miliz wäre gut beraten, gelangte sie allmählich zur Abrüstung. Das Motu proprio stellt eine echte, belastbare Freigabe dar. Die Gesetzgebung ist so intelligent, dass sie kaum je wieder durch ein Regime der Repression ersetzt werden kann. Wo fromme Leute in der alten Messe „zuhause“ sind, aber nur dort, da müssen sie deren Zelebration nicht mehr als Gnadenakt einer argwöhnischen Exzellenz erbetteln. Sie haben Anspruch auf Gehör. Sie übernehmen aber deshalb noch lange nicht das Kommando. „Basisdemokratie“ ist in der Kirche weder durch Plebiszite von „rechts“ noch von „links“ legitim. Die Ratio der neuen Anordnung verbietet es aber, je wieder einem Antagonismus zu verfallen, hier die „Reinen“, da die „Blöden“. Die Liturgie ist damit höchstwahrscheinlich als Ganze den ideologischen Schlachtfeldern entronnen. Sie ist und bleibt allein Eigentum des Tempels vom Heiligen Geiste. Das haben die Frondeure wider das Konzil wohl noch nicht restlos begriffen. Seit dem 7.7. v.J. fehlt ihnen das lodernde Kriegsbanner, wider den so gen. „Modernismus“. Wir dürfen die alte Messe seither im „neuen“, guten Glauben feiern. Der neue Glaube des Konzils ist aber der apostolische Glaube des Neuen Testaments. Wer demgegenüber „altgläubig“ bleiben will, der sollte sein Missale lieber ganz wegtun heidnische Opferrituale wieder einführen, Wotan zur Ehre. Diese Art von Opfern jedoch wird jedoch innerhalb der Reichweite des Christentums (und da sind alle europäischen Staaten immer noch „christlich“) ganz modernistisch ggf. als Mord verfolgt, mit Recht. Denn einer hat für alle genug getan, ihm danken wir, einig in der Eucharistie, una cum papa nostro.